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Orgelsommer: Thomas Wilhelm zu Gast in Schwickartshausen

Meisterliches Orgelspiel

Das zweite Konzert des Oberhessischen Orgelsommers fand in der evangelischen Kirche Schwickartshausen statt. Als Interpreten hatte der Organisator der Reihe, Krystian Skoczowski, den Kirchenmusiker, Orgel- und Glockensachverständen der EKHN, Thomas Wilhelm, gewonnen. In den Kommentaren des Gastes war seine große Leidenschaft für die Orgelmusik und ihre Geschichte zu spüren. Er habe im ersten Teil bewusst Kompositionen wenig bekannter Meister aus der Bauzeit des Schwickartshäuser Instrumentes gewählt, meinte er und sprach liebevoll vom „Club der toten Tondichter“, auf ihre unverdiente Vergessenheit anspielend. Als „Spätromantische Orgel mit warmen Klangfarben, gefertigt von Förster & Nicolaus 1913 mit Verständnis für symphonisches Orgelspiel und in einer Blütezeit des Orgelbaus,“ beschrieb Wilhelm im Nachgespräch, was er in Schwickartshausen vorfand. 1972 wurde die Orgel außer Dienst genommen, weil durch Verschleiß und die trockene Luft der neuen Kirchenheizung die Lederbälgchen brüchig geworden waren. Die in Schwickartshausen spielende Organistin Karola Zühlke entdeckte den Spieltisch in einer Putzkammer und konnte den Kirchenvorstand 2003 zu einer Restaurierung der Orgel gewinnen. Die Konzert-Fantasie „Ein feste Burg“ mit den beiden Rahmenteilen in Moll, dem Mittelteil in C-Dur von Bernhard Zorn (1834 bis 1901) ist noch in der Tradition klassischen Orgelspiels geschrieben und wenn auch für Übungszwecke gedacht, doch ein anspruchsvolles, der Botschaft des Liedes entsprechendes Werk. Musikdidaktik gehört auch zum Lebenswerk Samuel de Langes junior (1840 – 1911), der unter anderem das Konservatorium in Stuttgart leitete. Er schrieb 24 Präludien in unterschiedlichsten Tonarten, von denen Wilhelm diejenigen in Des-Dur, B-Dur und Ges-Dur, später noch die in C-Moll, Cis-Moll und Es-Dur gewählt hatte. Viele Zuhörer fühlten sich vom Des-Dur-Präludium mit seinem weichen, liedhaften Klang, von Wilhelm mit einer Kombination von Flötenregister und Salicional 8´gespielt, besonders angesprochen. „Erschütternd, wie wenig bekannt diese qualitätvollen musikalischen Aphorismen sind!“ meinte Wilhelm im Nachgespräch. Eingeschoben zwischen die beiden Präludien-Abschnitte waren zwei Choralfantasien von Uso Seifert (1852 – 1912), als erste „Sollt ich meinem Gott nicht singen?“ mit einer streng geführten Oberstimme über gleichbleibendem Bass und Reminiszenzen an barocke Strukturen. Die zweite Choralfantasie „Lobe den Herren“ war stärker an die Choralmelodie angelehnt, etwas langsamer, mit kräftigem Schlussakkord endend. Für den zweiten Teil hatte Wilhelm barocke Kompositionen gewählt, um die Orgel in der Tonsprache dieser großen Epoche der Kirchenmusik zu zeigen. So brachte er Johann Sebastian Bachs Präludium in C-Dur, das er als „altklassisch“ charakterisierte, und die majestätische zugehörige Fuge, ein dahin strömendes polyphones Stimmenspiel. Ein wenig später als Bach wirkte Georg Andreas Sorge als Organist, Komponist und Musiktheoretiker ebenfalls im sächsischen Raum. Wilhelm hatte dessen Trios in C-Dur, A-Dur und G-Moll gewählt, gut durchkomponierte Miniaturen in anmutigem Rokokostil. Die Choralpartita „Was Gott tut, das ist wohlgetan“ von Johann Pachelbel, einem der Großen der süddeutschen barocken Orgelszene, beeindruckte mit einer Vielzahl der Variationen, so die gedämpfte Chromatik des vierten, die fließenden, an rieselndes Wasser erinnernden Tonleitern des fünften, die pastorale Stimmung des sechsten Abschnitts, in dem man Vogelgesang zu hören glaubte, oder die beeindruckende Polyphonie des achten Satzes. Mit drei Sätzen von Tomaso Albinonis Concerto opus 2, für die Orgel übertragen von Johann Gottfried Walther, zeigte Wilhelm ein Werk barocker Gestaltungsfreude und schloss mit der Ciacona in B-Dur von Johann Bernhard Bach. „Anderthalb Stunden meisterliches Orgelspiel und ein Kompliment für unsere kleine feine Orgel“ war nach dem Schlussapplaus lobend zu hören.


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